Ellenschneider im Ikuwo, 09.04.2011 (Photo: Jan Metschorin)

Zonic Radio Show Nord, 14.04.2011: You Need Friends – Not Diskos, Little Wings & Penguin Café Orchestra

Aufgepasst, die Sache mit dem Frühling geht jetzt ernsthaft los! Die Zeitumstellung ist längst überwunden und die verlorene Stunde wieder nachgeschlafen. In diese jetzt länger werdende Abendhelligkeit fällt an diesem Donnerstag eine bis zum Bersten aller Blumenbeete gefüllte Zonic Radio Show Nord. Mit vielen neuen Veröffentlichungen – einige klingen als hätten sie so auch schon vor 30, 40 Jahren aufgenommen werden können.

Ellenschneider im Ikuwo, 09.04.2011 (Photo: Jan Metschorin)

Ellenschneider im Ikuwo, 09.04.2011 (Photo: Jan Metschorin)

Es gibt, passend zum April – der ja bekanntermaßen macht was er will – ein stilistisches Quergeschlage allerbuntester Kajüte. Vom swinging Folk der Little Wings zu moderner, folk-affiner Klassik (das wunderbare Penguin Cafe Orchestra), rüber zu fieberhaft elektroidem Krautgeflimmer von Station 17, hin zum knallchargigen Zithergezitter von Ellenschneider – die ja jetzt gerade jüngst im IkuWo zusammen mit den YNFND-Labelkollegen Olsen And The Hurley Sea, live zu erleben waren.

Traurige Regenunterhalter

Patrick Zimmer alias Finn. entkoppelt seinem Ende April erscheinenden Album I Wish I was someone else vorab eine Doppel-Coverversionen-Single. Bei den digital only erscheinenden Stücken „Crying in the rain“ und „Waltzing Mathilda“ handelt es sich um Interpretationen der Originale von A-ha und Tom Waits – in Finn.-typischer Manier als gewürfelzuckerte Glam-Folk-Stücke vorgetragen. Für „Crying in the rain“ konnte Dirk von Lowtzow – the hardest working Koop-Voice in Nebentocotronicprojekteland (aktuell auch baritönend bei Michaela Meise und ihrer Quetschkommodenkatholik) – gewonnen werden. Ein Video zum Lied gibt es auch: hier geben sich Finn. und von Lowtzow als traurige Entertainer im Frack – eher richtung Klaus Nomi als Frank Sinatra.

Ellenschneider im Ikuwo, 09.04.2011 (Photo: Jan Metschorin)

Ellenschneider im Ikuwo, 09.04.2011 (Photo: Jan Metschorin)

From Disco To Label: You Need Friends Not Diskos

Traurige Entertainer arbeiten selbstredend nicht in den Modi und Geschwindigkeiten zeitgenössischen Club-Entertainments. So wie das Finn.-meets-von-Lowtzow’sche Imregenweinen kein pupsvergnügtes Rumgetobe unterm Wolkenbruch ist, arbeiten die Sorry Entertainers aus Berlin auch nicht in den BPM-Skalen deines Fave-Rave-Minimüll-Ladens. Als DJ-Duo legen sie alles auf, was sich nicht zwangsweise auf Vier-zum-Flur-Formalismen beharrend zeigt. Langsame und lange Sets ohne Jawoll!-Prollismen, dafür mit Hingabe an das Schöne im Zähen.  Metronomische Listening-Sessions. Freude am Tanzen.

Eigene Musik machen sie auch: Auf ihrer New Age EP (Shitkatapult) schleppen sie sich durch schläfrige Sleazyness. Eine Blüten der Langsamkeit treibende Balearic Disco mit Valium-Vocalism obendrauf ist das. Genau der Richtige Gegen- und Ruhepol für das Haudrauf-Brüll- und Atzengedonner à la Ed Banger & Co.

Egal, weiter. Nämlich, und zwar, also: zu You Need Friends – Not Diskos. Seinem freundlichen Namen folgend, veranstaltet das so betitelte Kollektiv aus Rostock seit 2004 Veranstaltungen zum Liebhaben, irgendwo zwischen Ferienlagerkommunismus und Ringelrei unterm Purzelbaum. Nach nun gut sechs Jahren des neckischen Selbermachens hat man nun ein Label gleichen Namens gegründet. Zwei der an das Veranstalterkollektiv angedrahteten Bands haben dort jetzt ihre Debut-LPs veröffentlicht.

Alles drin, alles dran: "You need - Compipi" (YNFND, 2010)

Alles drin, alles dran: „You need – Compipi“ (YNFND, 2010)

Denen voran ging, als Inaugural-Release des Labels, eine Querbeet- und Freundekompilation. Auf You Need – Compipi bolzen sich Fuchs und Hase von Rostock-Hafenkante bis Berlin-Biesenthal die Klinke in die Hand und geben sich klebrige Gute-Nacht-Küsse. Ein grober Schelm mit schrundigem Herz, dessen Knieknorpel da nicht zu Wachs werden.

Die Sorry Entertainers fahren hier mit dem Tropicalia-Schwoofer „Watching You“ und einem achtminütigen Slowmo-Discostomper namens „Discoqueen“ auf. Kinderchor, näselnde Synthesizer und schlotterige, luftgetrocknete Beats – alles drin, alles dran.

Anne Rolfs aka Allroh (früher bei Wuhling mit Frank Neumeier aus dem Umkreis vom Caspar Brötzmann Massaker) eröffnet den Selbstfeiersampler mit einem mitreißend jodeligen Weltmusikfolk-Gesäge. Cat’n’Guyen machen Female-Vocal-Hip-Hop-Clash zwischen Peaches und Le Tigre. Faxigen No Wave meets Kindergrunge gibts von Hits4Kids, irgendwo zwischen S.Y.P.H. und dem Bierbeben stolpernd. Ansonsten wieseln sich hier etliche andere nerdige DIY-Projekte durch ihre Sampler und Sperrmüllinstrumente. Air Cushion Finish gehen es hölzern-dubby an und tröten zur schröterigen „Fuchsjagd“. Ihr kathedralischer Folk-Dub war bereits vor gut zwei Jahren, anlässlich ihres Album-Releases von „Bleifuss“ Thema in der Zonic Radio Show Nord.

Olsen and the Hurley Sea - The Hurley Sea (YNFND, 2011)

Olsen and the Hurley Sea – The Hurley Sea (YNFND, 2011)

Ellenschneider und Olsen And The Hurley Sea hauen bei YNFND jeweils eine LP raus.

Olsen And The Hurley Sea, ist das Band gewordene Projekt des Berliners Ole Ortmann. Zwei EPs erschienen bereits unter dem Namen Olsen and the Incredible Sound of the Unseen Orchestra. Mit Nikolai Potthoff, Marten Rux und Lorenz Baumeister hat sich das ungesehene Orchester nun aus der Unsichtbarkeit zu einer Band hochpersonalisiert. Das Debutalbum The Hurley Sea bietet sich als ebenso großgestiger, wie auch introspektiver Songwriterwurf dar.

Musikalisch ist das smart arrangierter Folk mit mundharmonischem Pflichtgeschraddel à la Neil Young. Melancho-Beat, wie ihn auch schon Jeff Tweedy mit Wilco, bzw. der Vorgänger-Band Uncle Tupelo aus allen Ärmeln schüttelte. Das große Empfindungsübel an der Welt kommt hier nicht als bräsig-wehleidiges Gemaunz daher, sondern präsentiert sich gut ausgegoren in der lichten Produktion durch Nikolai Potthoff. Und erinnert damit an den lässigen, hoppligen Verve, den frühe Alben von I Am Kloot zu verströmen vermochten. In den stilleren Momenten der Selbsteinkehr scheinen die Songschreiber-Qualitäten eines Conor Oberst mit seinen Bright Eyes, als auch die funkelnde Experimental-Americana von Sparklehorse auf. Großes Zeug ohne dabei mit massiver Großmassigkeit zu nerven. Schillernd und schön, ohne Koketterie. Wie Will Oldham, unterm Hut von Badly Drawn Boy. Weisste bescheid.

Olsen And The Hurley Sea im Ikuwo, 09.04.2011 (Foto: Jan Metschorin)

Olsen And The Hurley Sea im Ikuwo, 09.04.2011 (Foto: Jan Metschorin)

Null Null Schneider, Ellenschneider

Die Knallchargen-Kombo Ellenschneider spinnt sich durch ein wildes Referenzgeschwurbel. Ihre groovend-treibende, von Zither getragene Kauz-Orientalik erinnert a den Voodoo-Beat eines Dr. John, stürzt sich im nächsten Moment via Kinderkeyboard-Demo-Mode in ein wild-wirbelndes „Wake-Me-Up-Before-You-Go-Go“-Alleinunterhalter-Discoteering, um dann wieder in multi-instrumentalen Quatschmacher-Qualitäten à la Ween zu fischen.

Ellenschneider - "111" (YNFND, 2011)

Ellenschneider – „111“ (YNFND, 2011)

Ellenschneider friemeln Dubstep-Beats, Wobble-Bässe und tiefgepitchte Katzenjammersynthetik in ihr sandiges, aber gut sortiertes Soundgewüst. Etwas meditatives, organisch wachsendes weht durch die Stücke auf „111“. Geradlinig, mantra-haft, mehrstimmig im Singsang, mit dem freakfolky Charme eines musikalischen Laborierkollektivs mäandert man hier durch Gischt und Treibsand der eigenen, moosigen Innenwelt. Man denke beispielsweise auch an frühe, noch holzig im Sound gewandete Sachen vom Animal Collective. Einem anderen, etwas traditioneller und schnurrbärtiger musizierenden Folkkollektik wird via Coverversion gar gleich Tribut gezollt. Aus „4 + 20“ von Crosby, Stills, Nash & Young wird hier mit schweren Beats ein devlish Folkstomp. „I grow weary of the torment, can there be no peace?“ – Das ganze Album: eine hypnotische Selbstlese. Brummbäriger Pathos trifft auf klangwerkendes Chili Konfetti. In kaleidoskopischer Stilvielfalt geerdeter Post-Folk mit Ausflügen in schnutige Übermütigkeiten. Herzallerliebst.

Nachhören

Die Sendung ist hier für unbestimmte Zeit in der Mediathek der Medienanstalt M-V nachhörbar.

Playliste

Penguin Cafe – Sundog
A Matter Of Life…
Editions Penguin Cafe Ltd.

Robag Wruhme – Thora Vukk (12″ Edit)
Isolée / Robag Wruhme 12″ [PAMPA 006]
Pampa

Station 17 – Porto Pronto
Fieber
17rec.

Finn. – Crying In The Rain
Crying In The Rain / Waltzing Mathilda
Sunday Service

Michaela Meise – Preis Dem Todesüberwinder (mit Dirk von Lowtzow)
Preis Dem Todesüberwinder
Clouds Hill Ltd.

Himene – Inaha Hoi Te Maitai
Polyphonies Polynésiennes / Polynesian Polyphonies
Musique du Monde

Arthur Russell – A Little Lost
The World Of Arthur Russell
Soul Jazz

Ellenschneider – House Of Cards (RMX By Kundan Lal)
House Of Cards E.P.
self-released, digital only

Arthur Russell – A Little Lost
The World Of Arthur Russell
Soul Jazz

Ellenschneider – Ell11/Hundertundelf
111
YNFND / You Need Friends – Not Diskos

Dusty Springfield – I Think It’s Gonna Rain Today
Dusty… Definitely
Philips / Mercury

The Beatles – With A Little Help From My Friends
Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band
Parlophone / Capitol

Ferdinand Toddler – Help From A Little With My Friends
Lofi Deluxe – Slofidelic Sparklectric Soundzine #1: Edits
self-released

Curt Duca – Air / Bridal Chorus
V. A. – For Films – Selected Works For Moving Pictures: Edit. 2
Freibank / PIAS

Olsen And The Hurley Sea – As It Shouldn’t Ever Be Needed
The Hurley Sea
YNFND / You Need Friends – Not Diskos

Olsen And The Hurley Sea – Back In A Minute
The Hurley Sea
YNFND / You Need Friends – Not Diskos

Sparklehorse – It’s A Wonderful Life
It’s A Wonderful Life
Capitol

Air Cushion Finish – Fuchsjagd
V. A. – You Need – Compipi
YNFND / You Need Friends – Not Diskos

Ellenschneider – Down
111
YNFND / You Need Friends – Not Diskos

Music From The Penguin Cafe – Telephone And Rubber Band
Live At The Royal Albert Hall
Editions Penguin Cafe Ltd. / Teenager Cancer Trust

Penguin Cafe – The Fox And The Leopard
A Matter Of Life…
Editions Penguin Cafe Ltd.

Little Wings – Mr. Natural
Black Grass
RAD / Marriage Records

Little Wings – How Come
Black Grass
RAD / Marriage Records

Little Wings – Fall Skull
Black Grass
RAD / Marriage Records

Kath Bloom & Loren Mazzacane – Seems Like I’m Always Waiting
Sand In My Shoe
St. Joan

Loren Connors – Child
Hell’s Kitchen Park
Enabling Works

Loren Connors – 13 (untitled / ohne Titel)
Moonyean
Enabling Works

Loren Connors – Brigid’s Song
Hell’s Kitchen Park
Enabling Works

Alice Coltrane – Galaxy In Turiya
Alice Coltrane With Strings – World Galaxy
impulse! / abc records

Kreidler – New Earth
Tank
Bureau b