Und eigentlich müsste man...

Und eigentlich müsste man…

Und eigentlich müsste man wieder täglich mehr Text machen, dachte ich, und überlegte, wohin, in welches Buch genau also, der jetzt hineinzumachen wäre.

Wieder wochenlang war nichts, nichts hatte rausgefunden, phasenweise war komplett keine Zeit war für irgendwas Produktives da, die üblichen Übergangsjahreszeitenkrankheiten oszillierten durch unser familiäres Gefüge, immer war irgendwer krank, und dass man deshalb nicht zur Maloche musste bedeutete, als Vater kleiner Kinder, natürlich alles andere als Leerlauf oder den Gewinn irgendeiner Zeit.

Im Februar stand ich immerhin alle Nächte kalt am offenen Fenster und lötete an diesen alten Kassettenrekordern herum, war also wieder tief in noch zu machenden musikalischen Ideen verwickelt, ließ das Schreiben liegen und schlief wieder nur drei, vielleicht vier Stunden zwischen den äußeren Enden der längst als ein reguläres Jahresfließen ineinander übergehenden Tage. Innen, in jenen das dritte Buch betitelnden dünnen Stunden, war es eher manisch als musisch, aber ich wusste, dass es besser sein würde, dranzubleiben; ich wusste, dass es wieder einer dieser Flaschenhälse ist, in denen sich die Dinge erst eine zermürbende Weile verkeilen, bestenfalls dadurch gegenseitig in neue Richtungen treiben, naturgemäß alles eine Weile knisternd stagniert und es komplizierte Mischung an vorn und hinten, oben und unten, innen und außen aufgewendeten Energien brauchte, damit schließlich alles letztlich seine ihm gehörende Position in der Reihenfolge der Rauslassung bekäme.

Also war eigentlich alles nicht nichts, aber ich trieb dieses hohle, frühe Jahr eher schal und stumpf durch mein Leben, das einfach nur eine Pause bräuchte – nichts als ein Nichtleben, eher als ein Ablassen von allem mich Antreibenden – aber das war keine Option, ich war getrieben, wollte wohin, wollte dahin, wo die irren Ideen ihre Ergebnisse längst hinter allen Hälsen und Hügeln schon hatten aufscheinen lassen. Ich wusste, wie es werden sollte, nur verwirrend war, dass eigentlich nichts von ihr da war und ich trotzdem ständig von ihr um- und weggerissen wurde: meiner jetzigen, im Insgesamtweltlichen auch gerade wieder äußerst kaputten: Zeit.

Martin Hiller
24.04.2025


Neben kleineren Notizen zur Zeit arbeitet Martin Hiller derzeit wieder an seinem dritten Buch, das zusammen mit den bisher veröffentlichten Frau Elster und der eingestickte Wal“ und Sämtliche im Karree auffindbaren Pfützen“ eine Trilogie abschließen wird. Ferner macht Martin Hiller wieder vermehrt Musik, aktuell vor allem mit live aufgenommenen und manipulierten Tapeloops. Für den hier und da, z.B. in den bisherigen Büchern erwähnten Nachtlebenroman bleibt neben allem wenig Raum, aber auch dieses, eine neue Trilogie eröffnende Buch ist in Arbeit. Ebenfalls: nach und nach Veröffentlichungen diverser Aufnahmen der letzten 25 Jahre, inkl. ausgedehnter Liner Notes zuletzt „Vroomed Starfish Chirming“.