[…] Rösinger reimt „Heiterkeit und Depression“ auf „Das kommt halt vor, das kennt man schon“ und dichtet sich und ihrer Hörerinnenschaft damit eine erträglichere Welt zusammen. Der Moment des Melancholischen wirkt auf Menschen, die diese edelste aller Gemütssorten nicht kennen, sie verdrängen oder einfach plump und ohne Nachfrage durch ihre empfindungsarmen Tage stolpern (wegen keine Zeit, keine Lust oder sowieso alles egal), erstmal spleenig, sperrig, ja fast „verkopft“ und schwierig. Das ist natürlich Quatsch. Christiane Rösingers Lieder sind mindestens ebenso kopf- wie herzlastig. Zwischen abwinkender Miesepetrigkeit, lustvollem Genörgel und „irgendwie süßem Wühlen in Vergeblichkeit“ (Lassie Singers, 1996) singt Christiane Rösinger immer noch über – so hieß auch mal ein Album von Britta – „Das schöne Leben“ zwischen Lieben und Leiden, zwischen Lustprinzip und lästigen Pflichten, zwischen kreativem Tun und prekärem Herumgekräpel. „Glück ist keine Bürgerpflicht“ singt sie und geht noch einen Schritt weiter und betont: „Glück und Liebe gibt’s gar nicht“. Das Wettern gegen die blöde alte Tante Love als Konstrukt zur Mehrsamkeit, Lebensbewältigung und Leidensaufteilung unter den Teilnehmern dieser Love ist mittlerweile ja eine Art rösingersches Trademark. Bei ihr ist Liebe und was da so an Suchen, Sehnen und Strampeln dranhängt, oft auch Grund für allerlei Zwist und Unbill im Leben. Einerseits ganz persönlich, als Traurigkeit, andererseits auch als Skepsis am gesamtgesellschaftlichen, zwischenmenschlichen Irrwitz. Als Betroffenheit, die sich fragt: „What the heck, was soll der Stress / Mit dem Pursuit of Happiness“. Hieran hängen natürlich – neben all den „uneingeladenen Gefühlen“ (Lassie Singers, 1996) – dann auch Diskurse um Gentrifizierung, Heteronormativität sowie lohn- und leistungsorientierter Arbeitswelt In „Wo bleibt der Mensch“ vom 1996 erschienenen Album „Hotel Hotel“ sangen die Lassie Singers mal – gewohnt kühn im Versmaß – „Ich habe kein Geld und weil ich nicht fremdbestimmt arbeiten will, wird das auch so bleiben“. Heute, zwanzig Jahre später, besingt Christiane Rösinger ein „Lob der stumpfen Arbeit“. Im so benannten Song klagt sie über den „Fluch dieser Tage“ und meint damit als „kreative Plage“ den lästig fremdbestimmtem Kunst- und Selbstverwirklichungswahnsinn, der einem von den Medien, den Mitmenschen oder einfach der eigenen, inneren Manie so vorgetanzt wird. Viel schöner, weil auf kürzerem Wege sinnstiftend, ist doch da die ehrliche Arbeit: „Müde all des Geschwätzes / Such ich was Handfestes / Statt ’ne neue Platte / Pflanz ich Blumenrabatte“ singt Christiane Rösinger. Als Musikerin, Schriftstellerin, ehemalige Labelbetreibern, gelegentliche Pop-Autorin und als Flittchenbar-Veranstalterin weiss sie, wovon sie spricht. Sie jammert jedoch nicht, sie stellt fest und gibt Empfehlungen. Und das macht sie – die Melancholie ist eine launige Natur – natürlich auch mit Drolligkeit und texttüchtiger Schläue. „Sich selber promoten / Das gehört verboten“ singt sie und betont „verboten“ in der zweiten Silbe ebenso englisch wie „promoten“.[…]
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